Aussteiger, der
– Person, die versucht, sich von gesellschaftlichen Normen und Zwängen zu befreien oder ihrer Lebenswelt zu entfliehen; jemand, der sein Land verlässt, um anderswo einen anderen Lebensstil zu führen; ein Mensch, der aus einer Gruppe, zu der gehört, austritt –
Reicht’s jetzt endgültig? Die Nase voll und die Faxen dick? Das Ende der Fahnenstange erreicht? Oder einfach keine Lust mehr, ein Fähnchen im Wind zu sein?
Dann ist es aber höchste Zeit, auszusteigen. Zeit zum Aussteigen.
Neustart. Alles zurück auf Null.
Aber… Wo steigt man aus und wo dann wieder ein? Kann man überhaupt aussteigen, ohne woanders wieder einzusteigen?
Und geht das, zurück auf Null? Hat es denn überhaupt jemals eine Stunde Null gegeben?
Geht nicht jedem Neustart ein Fehlstart voraus? Und wenn dem so ist, wird man dann etwa beim dritten Fehlstart disqualifiziert? Rausgeworfen? Vollzieht sich dieser Rückzug aus der Gesellschaft also in vielen Fällen gar nicht freiwillig?
Das Luxusleben als Gutverdiener aufgeben, alles hinter sich lassen, raus aus dem Trott, von der pulsierenden, aber stressigen Großstadt ins beschauliche Kuhdorf oder als Selbstversorger auf eine einsame Insel.
Abgeschiedenheit. Selbstbesinnung, Selbsterkenntnis, Selbstbestimmung, Selbstfindung. Endlich mal man selbst sein, endlich das Leben leben.
Doch was zunächst nach romantischer Sehnsucht klingt, ist in den meisten Fällen nichts anderes als ein flüchtiges Gedankenspiel.
Auf der anderen Seite gibt es aber sogar richtige Aussteigerprogramme für alle, die auf den falschen Zug aufgesprungen oder auf dem falschen Dampfer unterwegs sind: Raus aus der rechtsextremen Szene, raus aus dem Linksextremismus, raus aus dem pseudoreligiösen Terrorismus.
Da heißt es dann aber wirklich: „Bitte alle aussteigen!“
Und bitte nicht einfach nur umsteigen, so wie es manch einer tut, der direkt den Zug in die Gegenrichtung nimmt, von ganz links nach ganz rechts oder umgekehrt.
Inspirierendes Wort für mich seit drei Jahren. Am gleichen Moment als ich dieser Begriff entdeckte, kam der Postbeamte mit einer “made in Germany” Meditationmatte. Also,entschuldigen sie mir Bitte, ich “steige auf”.
Vielen Dank !
Patrick, Charnay-lès-Mâcon, Frankreich
Patrick, es macht immer Spaß, deine Kommentare zu lesen. Merci!
Intuitiv hat es mich gleich zu diesem ‘Schatzwort’ gezogen; denn ich erlebte mehrere Aussteigererfahrungen und wenn ich jetzt täglich in mein Atelier – das bezeichnenderweise den Namen ‘NeuSehLand’ trägt, aber nicht mal in Anlehnung an den Inselstaat Neuseeland, sondern wegen ‘neuer, anderer Art zu sehen’ – gehe und hinter mir die Tür schließe, dann ist dies auch jedesmal der räumlich vollzogene Ausstieg, der dem mentalen folgte. Trotzdem zieht es mich wieder auf eine Insel, es muss ja keine ‘Schatz(wort)insel’ sein. – Und was suche ich hier im ‘Deutschwortschatzland’? – Es zieht mich doch wieder an, denn mein erster Ausstieg war der auf dem Weg zum zweiten Staatsexamen für Deutsch- u. Kunstlehrer an Realschulen. – Ich finde es einfach toll, dass es solch sprach- und illustrationbegeisterte und -begeisternde Menschen wie Euch gibt.
Viele Grüße an Euch und die Kanarischen Inseln
Norbert Diem, Augsburg, Deutschland
Lieber Norbert Diem,
vielen Dank für den schönen Text. Und die Worte am Ende tun wirklich gut und geben uns die Motivation, die wir für dieses Projekt benötigen.
Wir schicken viele Grüße von den Kanarischen Inseln nach NeuSehLand,
Andi und Delia